Ein KI-Assistent, der juristische Argumente formuliert, Schriftsätze beantwortet und eigene Recherchen hinterfragt – klingt nach Zukunft, ist aber bereits Praxis. Der Wiener Rechtsanwalt Dr. Philipp Merzo hat mit AI:ssociate ein Legal-Tech-Tool entwickelt, das große Sprachmodelle mit juristischem Fachwissen verbindet und dabei besonderen Wert auf Datenschutz und Transparenz legt.
Wir haben mit Philipp Merzo über die Idee hinter dem KI-Assistenten gesprochen, über den Umgang mit sensiblen Daten und darüber, wie Jurist:innen von der Lösung profitieren können.

Wir wollten keine Blackbox
Die Entstehungsgeschichte von AI:ssociate beginnt mit einer Marktlücke: „Wir haben lange auf vergleichbare Lösungen gewartet, insbesondere von großen Verlagshäusern“, erzählt Merzo. Doch es kam nichts. Also baute der Rechtsanwalt und Programmierer vor gut einem Jahr selbst einen Prototyp. Dies markierte den Startpunkt des eigenständigen Legal-Tech-Unternehmens.
Die Grundidee: Ein KI-Assistent für Jurist:innen, der auf hochwertigen Sprachmodellen basiert, aber nicht zu einer undurchsichtigen „Blackbox“ wird.
Stattdessen kombiniert AI:ssociate große Sprachmodelle mit einer von Expert:innen aufbereiteten Wissensdatenbank. „Wir legen Wert auf Transparenz und Quellenangabe. Das Sprachmodell soll nachvollziehbare Antworten liefern, und das gelingt uns inzwischen sehr zuverlässig“, so Merzo.
Drei Hauptfunktionen für den Kanzleialltag
AI:ssociate richtet sich ausschließlich an rechtskundige Anwender:innen. Im Alltag ergeben sich daraus drei zentrale Anwendungsfelder:
- Juristische Ersteinschätzungen: besonders hilfreich, wenn man mit weniger vertrauten Rechtsgebieten konfrontiert ist.
- Argumentationshilfe: etwa beim Formulieren und Gegenprüfen von Standpunkten für Schriftsätze.
- Gegenrecherche: um eigene Ergebnisse mit der App abzugleichen.
Dabei können Nutzer:innen auch eigene Wissensdatenbanken aufbauen und Schriftsätze oder Verträge hochladen. So lässt sich die generierte Antwort direkt mit der internen Kanzleiarbeit verknüpfen. Eine datenschutzkonforme Pseudonymisierung ist inkludiert.

Datenschutz: Kein Name geht an das Sprachmodell
Beim Thema Datenschutz will AI:ssociate neue Standards setzen. Merzo beschreibt ein mehrstufiges Verfahren zur lokalen Pseudonymisierung: Namen und sensible Informationen werden durch Platzhalter ersetzt, bevor die Texte an das Sprachmodell übergeben werden. „Das Sprachmodell sieht nur ‚Organisation 5‘, nicht den echten Namen“, erklärt Merzo.
Die Dokumente selbst werden verschlüsselt gespeichert und sind durch eine eigene Passphrase nur für den jeweiligen Nutzer zugänglich. Diese Architektur unterscheidet sich deutlich von vielen Cloud-basierten Lösungen internationaler Anbieter. Auch eine DSGVO-konforme Trennung der Daten sei technisch sichergestellt, betont Merzo.
Kein Ersatz für Rechtsprüfung, aber starke Effizienzgewinne
Wie hoch ist der Effizienzgewinn durch die App? Eine konkrete Prozentzahl nennt Merzo nicht, verweist aber auf drastisch verkürzte Recherchezeiten: „Was früher ein bis zwei Stunden gedauert hat, gelingt heute oft in wenigen Minuten – inklusive Textbaustein.“
Trotzdem bleibt der Mensch gefragt: Die generierten Inhalte seien in vielen Fällen sehr präzise, müssten aber stets final geprüft werden. „Unsere App entspricht etwa dem Niveau eines Berufseinsteigers. Sie spart Zeit, aber ersetzt nicht die Verantwortung.
Für wen lohnt sich der Einsatz?
Kanzleien jeder Größe können von AI:ssociate profitieren, so Merzo. Besonders geeignet sei das Tool für kleinere bis mittelgroße Kanzleien mit breitem Rechtsgebietsspektrum. „Wenn nicht 50 Konzipient:innen zur Verfügung stehen, aber der Arbeitsaufwand hoch ist, bringt ein KI-Assistent deutliche Entlastung.“
Eher ungeeignet sei die App aktuell für Vertragsgenerierung. Zwar könne man über eigene Datenbanken auch Vertragsklauseln erstellen lassen, eine standardisierte Klauseldatenbank sei jedoch nicht Teil des Produkts – noch nicht.
Abgrenzung zum Mitbewerb: Weniger ist mehr
AI:ssociate setzt bewusst auf juristisch hochwertige Quellen: Gesetze, höchstgerichtliche Entscheidungen – etwa des OGH oder VwGH – sowie BMF-Richtlinien im Steuerrecht. Fachliteratur oder Kommentare werden nicht verarbeitet.
„Je mehr unsaubere Quellen ein Sprachmodell bekommt, desto schwieriger wird es, eine klare Antwort zu generieren“, so Merzo. Durch die Reduktion auf verbindliche Rechtsgrundlagen erreicht AI:ssociate eine besonders hohe Trefferquote. Diese wird derzeit auch durch ein internes Bewertungssystem objektiviert.
Ausblick: Mehr Integration, bessere Usability
Aktuell befindet sich AI:ssociate in der Transformation von der Beta- zur finalen Version. Neben einer neuen Benutzeroberfläche soll auch das öffentliche und europäische Recht integriert werden. Weitere Funktionen wie native Apps, Plugins für Kanzleisoftware und verbesserte Pseudonymisierung sind geplant.
Merzo sieht in den nächsten fünf Jahren grundlegende Veränderungen auf die Branche zukommen: „KI wird die juristische Arbeit verändern – nicht ersetzen, aber effizienter machen. Die strategische Einordnung und menschliche Beratung bleiben unersetzlich.“
Testen und loslegen
AI:ssociate kann eine Woche lang unverbindlich getestet werden. Die Registrierung erfolgt über aissociate.at. Auf Wunsch sind auch längere Testphasen möglich. Die Nutzung erfolgt vollständig über den Browser, es ist keine lokale Installation notwendig.
Fazit
AI:ssociate bietet Jurist:innen eine praxistaugliche, datenschutzkonforme und inhaltlich präzise Unterstützung, ohne den Anspruch, den Menschen zu ersetzen. Wer die Stärken und Grenzen von KI kennt, kann mit dem Tool Zeit sparen, Qualität sichern und den Fokus wieder stärker auf das legen, was Maschinen nicht leisten können: Strategie, Empathie und Verantwortung.